«Nichts und niemand kann dich ersetzen»

«Nichts und niemand kann dich ersetzen»

Rainer Brambach - Günter Eich. Der Briefwechsel


Roland Berbig (Hrsg.)
544 Seiten
112 Illustrationen

Halbleinen, Fadenheftung, 14.5 x 22.8 cm

ISBN 978-3-03850-069-8

Erschienen im Mai 2021

CHF 44.00
EUR 44.00

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Die prominenten Bühnen des literarischen Betriebs haben beide eher gemieden; den Roman, den man gelesen, und das Stück, das man gesehen haben muss, sucht man in ihrem Werk vergebens. Als Lyriker und Kurzprosaisten gehören Günter Eich und Rainer Brambach gleichwohl zu den unverrückbaren Größen in der Literatur Deutschlands und der Schweiz nach 1945. Ihre Beziehung leitete 1950 eine Leserzuschrift von Brambach ein, auf die Eich ebenso erfreut wie überrascht reagierte: Dass ihm jemand auf die Veröffentlichung dreier Gedicht in einer Zeitschrift schrieb, war er – in einem entlegenen Winkel Niederbayerns lebend – nicht unbedingt gewohnt. Erst beim dritten Brief scheint Brambach zugegeben zu haben, dass auch er Gedichte schrieb. Da war aus der Korrespondenz schon eine Brieffreundschaft geworden, die sich nach der persönlichen Begegnung noch intensivierte. Regelmäßig tauschte man Manuskripte aus, um die Meinung des anderen und dessen Verbesserungsvorschläge zu erfahren (eine ganze Reihe von bislang unbekannten Texten sind nur hier überliefert). Jedes erscheinende Buch bekam der andere mit herzlicher Widmung. Wann immer es ging, besuchte man sich. Bis zu Eichs Tod im Jahr 1972 sollten beide füreinander die Person bleiben, der sie alles anvertrauen konnten. In ihren Briefen kommt denn auch das gesamte Spektrum der Stimmungen und Lebensumstände zur Sprache: die literarische Arbeit mit allen Höhen und Tiefen des Scheiterns und Gelingens, die wechselvollen Erfahrungen in Dingen der Liebe und des familiären Lebens, die Wonnen des Weingenusses und die Nöte der pekuniären Verhältnisse, der Klatsch des Literaturbetriebs und die unberechenbaren Launen des sogenannten Erfolgs. Es sind Briefe, in denen sich viele Tonlagen mischen: tiefe Herzlichkeit und kritische Abwägung, Freude am Albernen und Galgenhumor angesichts der verqueren Weltläufe. Nur langweilig sind sie nie.

Das Buch wurde von der Darmstädter Jury «Buch des Monats e.V.» zum Buch des Monats August 2021 gewählt.

Begründung der Jury:
Mit seinem berühmten Gedicht «Inventur» hatte der Dichter Günter Eich (1907-1972) einst das Ernüchterungsmantra der Nachkriegsliteratur geliefert: «Dies ist meine Mütze, / dies ist mein Mantel,/ hier mein Rasierzeug/ im Beutel aus Leinen.» Das literaturgeschichtliche Nachleben des großen Hörspielautors und poetischen Anarchisten schien sich zu verdunkeln, als es 1993 zu einem Zerwürfnis zwischen dem Suhrkamp Verlag und dem designierten Herausgeber der Eich-Briefausgabe, dem im September 2020 verstorbenen Literaturwissenschaftler Axel Vieregg kam. Die Folge dieses Zerwürfnisses war, dass die geplante Briefausgabe auf Eis gelegt wurde. Nach 30 Jahren hat nun der kleine Schweizer Nimbus Verlag die Tür zu den verschlossenen Briefschaften Eichs geöffnet. Der umfangreichste Briefwechsel Eichs, nämlich der mit seinem Schweizer Dichterfreund Rainer Brambach (1917-1983), liegt jetzt in einer akribisch kommentierten Ausgabe vor. In Rainer Brambach, der 1917 in Basel in prekären Verhältnissen geboren wurde und sich viele Jahre als staatenloser Hilfsarbeiter, Torfstecher, Gartenbauarbeiter und Privatchauffeur durchschlug, hatte Eich 1950 einen Seelenverwandten gefunden. Es entwickelte sich eine Dichterfreundschaft, die frei blieb von Futterneid, Intrige und Allüre. Hinter der Aura des Vagabunden und des «trinkfesten Landbärs und Regionalisten» (Christoph Meckel) verbarg sich ein lernwilliger Poet, der in dem zehn Jahre älteren Eich sein großes Vorbild sah. Der Briefwechsel ist ein faszinierendes Dokument aus der Frühgeschichte des Literaturbetriebs und bietet einen aufschlussreichen Einblick in die Produktionsbedingungen für Lyriker in der Bundesrepublik nach 1945. 
Darmstädter Jury «Buch des Monats» e.V.  (Michael Braun)