BAMBERG DIARY #2

BAMBERG DIARY #2

China

Mit Beiträgen von Marcus Rudolf Axt, Xuewu Gu, Holger Noltze und Jiatong Wu
Mit Fotografien von Andreas Herzau

Holger Noltze (Hrsg.)
160 Seiten
80 Illustrationen

Halbleinen, Fadenheftung, 22.2 x 16.2 cm

ISBN 978-3-03850-081-0

Erschienen im März 2021

CHF 32.00
EUR 32.00

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Als die ersten europäischen Missionare zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach China kamen, waren auch Musiker unter ihnen, die den Kaiser mit abendländischen Melodien bezaubern und beeindrucken sollten. Als 1942 Romain Rollands Beethoven-Buch in der Übersetzung von Fu Lei auf Chinesisch herauskam, entstand im «Reich der Mitte» ein wahrer Beethoven-Mythos: das Bild eines unbeugsam Schaffenden, der sich nicht einmal durch den Verlust des Gehörs vom Komponieren und vom Glauben an eine Musik der Zukunft abhalten ließ. Als Mao 1966 die Kulturrevolution ausrief, wurde alles verboten und zerstört, was westlich-bourgeoiser Kultur nur entfernt ähnlich sah – und Fu Lei beging Selbstmord.
Nachdem Nixon 1972 China besucht und Mao die Hand geschüttelt hatte, folgte ihm ein Jahr später das Philadelphia Orchestra und gab als erstes westliches Ensemble ein Symphonie-Konzert in China. 1986 gastierten die Bamberger Symphoniker zum ersten Mal in Peking und Shanghai. Sechs weitere Tourneen folgten bis 2019. War es zu Anfang noch keineswegs unüblich, in ihren Konzerten zu essen, zu telefonieren oder während der Musik den Saal zu verlassen, so werden heute Besucher, die ihr Handy zum Fotografieren oder zum Kurz-Check zücken, von smarten Kontrolleuren mit einem Bannstrahl aus dem Laserpointer bedacht. China baut heute mehrere Konzerthäuser pro Jahr und eröffnet fort laufend neue Konservatorien. Seit Lang Lang zum Weltstar avanciert ist, werden nirgends so viele Steinway-Flügel verkauft wie hier. Und das Mao-Denkmal in dessen Geburtsstadt trägt die Züge Beethovens. Was bedeutet dieser enorme plötzliche Boom der klassischen Musik für China? Wie erleben die europäischen Musiker, die dort auftreten, das Land und dessen Kultur? Warum darf eine Mozart-Messe in China nicht gespielt werden, Beethovens 9. Symphonie jedoch sehr wohl? Liegt in der Gefühlsmacht, die dem Erleben klassischer Musik innewohnen kann, ein Keim individuellen Freiheitsbedürfnisses, das den politischen Kollektivismus in China auf längere Sicht zu unterhöhlen vermag? Auch wenn vielen Musik als ‹weicher Faktor› gilt – im Kulturaustausch zwischen Europa und China, in der Rivalität ihrer Systeme, ist sie höchst virulent. Von diesen Fragen handelt das «Bamberg Diary #2» auf beredte Weise in Wort und Bild.